Bio-Kunstrasen: nachhaltig, umweltfreundlich, spieltauglich

In Ellwangen entsteht eine Kunstrasenfläche aus biobasierten Materialien

23.02.2023 – Mit einem biobasierten, biologisch abbaubaren Kunststoffrasensystem will die Stadt Ellwangen den Austrag von Mikroplastik in die Umwelt reduzieren und eine nachhaltige, zukunftsfähige Alternative für neue Sportplätze mit Kunststoffrasen schaffen.

Die Entwicklung des Systems übernehmen der Biopolymerhersteller TECNARO und das Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt das Vorhaben.

Kunststoffrasen – pflegeleicht und zu jeder Jahreszeit bespielbar. Bild: mtaira – stock.adobe.com

Sportplätze aus Kunstrasen stellt man bislang aus fossilen Ressourcen her. Ellwangen plant nun den deutschlandweit ersten Kunstrasenplatz, der nahezu vollständig aus biobasierten Werkstoffen bestehen wird. Der Modellplatz soll mindestens dieselben sporttechnischen Eigenschaften aufweisen wie die herkömmlichen Pendants und als Vorbild und Anschauungsobjekt dienen.

Kunststoffrasen sind mehrschichtig aufgebaut. In der obersten Faserschicht befindet sich ein Einstreugranulat (Infill), das dort für Stabilität und Elastizität sorgt und gleichzeitig der Hauptverursacher des Mikroplastikaustrags ist. Die Entwicklung eines biobasierten und biologisch abbaubaren Infills steht deshalb im Zentrum des Projektes. Das Projektteam setzt hier auf die Arboblend®-Werkstoffe von Tecnaro als Grundlage für ihr neues Material. Ziel ist eine biologische Abbaubarkeit von 90 Prozent, im Erdreich innerhalb von 24 Monaten bzw. im Wasser innerhalb von sechs Monaten. Die größte Herausforderung besteht allerdings darin, dass der biologische Abbau erst einsetzt, wenn das Infill in die Umwelt gelangt.

Daneben sucht das Forscherteam auch für die Faserschicht des Kunststoffrasens nach biobasierten Alternativen. Es gilt, Bio-Compounds mit passenden technischen Eigenschaften zu finden und sie optimal zu additiveren. Bei den Materialien ist insbesondere eine hohe Temperaturbeständigkeit für die Sommermonate erforderlich. Für die Elastikschicht sollen sortenreine hochwertige Rezyklate genutzt werden.

Während des Projektes überprüfen die Forschenden den tatsächlichen Kunststoffaustrag vom Platz und dessen Umweltauswirkungen. Sie erstellen eine Ökobilanz für ihr Kunststoffrasensystem und initiieren einen Dialog zwischen den Bürger/-innen und Nutzer/-innen des Platzes im Sinne einer Aus- und Weiterbildung für eine nachhaltige Entwicklung.

Kunststoffrasen – Aufbau. Bild: IKT Stuttgart

Hintergrund:
Mikroplastik, also kleinste Kunststoffteile, reichern sich immer mehr in der Umwelt an. Sie stammen aus verschiedensten Quellen. Zum Mikroplastik zählt auch das Kunststoffgranulat (Infill), das für die Befüllung von Kunstrasenflächen eingesetzt und von dort durch Regenfälle, Wind, Schuhe und Bälle unkontrolliert in die Umwelt ausgetragen wird. Nach Angaben der Europäischen Chemieagentur (ECHA) verursachen Kunststoffrasenplätze europaweit jährlich 16.000 Tonnen Mikroplastik-Austrag. Die ECHA hat daher der EU-Kommission ein Verbot des Einsatzes von Kunststoffgranulat auf Kunststoffrasenflächen empfohlen.

In Deutschland gibt es aktuell bereits rund 9.000 Kunstrasenplätze. Diese Anzahl könnte in den nächsten Jahren noch steigen, denn vor allem in Großstädten und Ballungsräumen werden mehr Sportplätze benötigt. Kunststoffrasenflächen sind im Gegensatz zu Naturrasenflächen zu jeder Jahreszeit nutzbar, pflegeleichter und im Unterhalt kostengünstiger. Im Vergleich mit Sand- und Ascheplätzen geht von ihnen eine geringere Verletzungsgefahr aus.

Projektinformationen
Der Bau und die Nutzung des Modell-Platzes wird im Verbundprojekt „Nachhaltiger Kunststoffrasenplatz – Entwicklung und Untersuchung am Beispiel der Stadt Ellwangen“ durch das BMEL gefördert und vom Projektträger des BMEL, der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) betreut. Die TECNARO Gesellschaft zur industriellen Anwendung nachwachsender Rohstoffe mbH und die Universität Stuttgart, Institut für Kunststofftechnik führen das bis Mitte 2025 laufende Projekt durch.

Bei der Weiterentwicklung und Optimierung der biogenen Kunststoffe werden die beiden Partner vom Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme (IBBS) der Universität Stuttgart unterstützt. Die Extrusionsversuche für die Kunstrasenfasern werden von der Morton Extrusionstechnik GmbH durchgeführt, die Systementwicklung von Kunststoffrasenteppich und Elastikschicht erfolgt durch FieldTurf Tarkett. Eingebunden in die Arbeiten ist neben der Stadt Ellwangen ein projektbegleitender Ausschuss, an dem u. a. die baden-württembergischen Ministerien für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, das Bundesinstitut für Sportwissenschaft und der Landessportbund Baden-Württemberg beteiligt sind.

Informationen und Ansprechpartner stehen in der Projektdatenbank der FNR (https://www.fnr.de/projektfoerderung/projektdatenbank-der-fnr) unter folgenden Förderkennzeichen zur Verfügung:

2220NR267A – Teilvorhaben 1: Werkstoffentwicklung – TECNARO Gesellschaft zur industriellen Anwendung nachwachsender Rohstoffe mbH  https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=2220NR267A

2220NR267B – Teilvorhaben 2: Analyse des Werkstoffverhaltens – Universität Stuttgart, Institut für Kunststofftechnik (IKT) – https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=2220NR267B

Weitere Infos unter https://www.fnr.de/projektfoerderung/ausgewaehlte-projekte

Über die FNR
https://www.fnr.de/fnr-struktur-aufgaben-lage/fachagentur-nachwachsende-rohstoffe-fnr

Ansprechpartnerin:
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.
Dr. Gabriele Peterek
Tel.: +49 3843 6930-119
E-Mail: g.peterek(bei)fnr.de

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Smarte, vollautomatische Biogasanlage sichert Strom- und Wärmeversorgung von Dörfern, auch wenn die Sonne nicht scheint

Betreiber können Investitionen in größere Gasspeicher sparen. Damit ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten für mittelständische Investoren, auch im Rahmen von Public Private Partnership (PPP)-Lösungen.

09-02.2023. Im Projekt PowerLand 4.2 entwickelten die Universität Hohenheim, die Hochschule Reutlingen und die Novatech GmbH die Steuerung für eine vollständig automatisierte Biogasanlage, die erneuerbaren Strom und Wärme bedarfsgerecht insbesondere in den Produktionslücken von Sonne und Wind liefert. Die Steuerung wurde erfolgreich in einem Reallabor getestet. Dank Energiebedarfsprognosen und einer angepassten, flexiblen Fütterung können Biogasanlagenbetreiber mit diesem Ansatz Investitionen in größere Gasspeicher einsparen.

Mit Strom aus sogenannten flexibilisierten Biogasanlagen [1] lassen sich Lücken zwischen der wetterabhängigen Stromerzeugung aus Wind und Sonne und dem tatsächlichen Bedarf (auch als Residuallast bezeichnet) gezielt schließen (veranschaulicht auf https://visuflex.fnr.de/visualisierung). Der Biogasbetreiber orientiert sich dabei üblicherweise an den Preisen der Strombörse.

Im Projekt PowerLand 4.2 wollten die Forschenden einen Schritt weitergehen und mit einer Biogasanlage den Bedarf einer konkreten Ansiedlung im Zusammenspiel mit Sonnenenergie decken. Dabei sollte dieser Ausgleich möglichst vollständig für Strom und Wärme und außerdem automatisiert erfolgen. Dafür reichen Börsenstrompreise als Signale nicht aus. Stattdessen braucht es eine intelligente Steuerung für das Blockheizkraftwerk (BHKW) der Biogasanlage. Diese muss Informationen über den lokalen Strom- und Wärmebedarf, Füllstände der Biogas- und Wärmespeicher und die Erzeugung aller sonstigen erneuerbaren Anlagen vor Ort für die nächsten Tage kennen, verarbeiten und daraus sinnvolle Fahrpläne für das BHKW und vorausschauende Fütterungspläne für die Fermenter ableiten. In Süddeutschland sind bei den sonstigen erneuerbaren Anlagen vor allem Photovoltaik(PV)anlagen relevant, Windenergie spielt nur eine geringe Rolle.

Feststoffdosierer an der Forschungsbiogasanlage „Unterer Lindenhof“. In Powerland 4.2 wurde eine Methode entwickelt, um Fütterungsfahrpläne für den Dosierer zu erstellen, die sich am jeweils aktuellen Biogasbedarf orientieren. Quelle: Eyb, Universität Hohenheim

Eine der Zielgrößen im Projekt war eine netzdienliche, stromoptimierte Fahrweise, bei der die Aufgabe der Wärmebereitstellung als „Leitplanke“ fungierte. Das bedeutet, dass das BHKW zwingend einschalten musste, sobald ein Wärmebedarf vorlag und der Wärmespeicher leer war, auch wenn gerade keine Residuallast benötigt wurde. In allen anderen Fällen aber sollte das BHKW die „Stromlücke“ schließen. Außerdem galt es, die Biogasanlage so „smart“ zu füttern, dass mit dem trägen Biogasprozess zur richtigen Zeit die richtige Menge Gas für die BHKW-Fahrpläne bereitstand.

Im Ergebnis steht nun ein praxistaugliches Vorhersagemodell der Biogasproduktion bei gegebener Fütterung zur Verfügung, sowie eine darauf basierende Methode, um zum Gasbedarf passende Fütterungspläne zu entwerfen. In einem mehrwöchigen, realen Testlauf an der Forschungsstation „Unterer Lindenhof“ der Uni Hohenheim stellte das System schließlich seine Praxistauglichkeit unter Beweis. Die Station verfügt über eine Biogasanlage, ein Wärmenetz und einen Energieverbrauch, der etwa dem eines 130-Einwohner-Dorfes entspricht. Eigens für den Testlauf wurde zusätzlich eine PV-Anlage installiert, deren Produktion in die Vorhersagemodelle mit einfloss. Es zeigte sich, dass die Prognosedaten nahe an der Realität lagen und das BHKW die entsprechenden Fahrpläne gut umsetzte. Insgesamt lag die Abweichung zwischen berechnetem und tatsächlichem Strombedarf bei 4,4 Prozent, beim Wärmebedarf zwischen 7 und 9 Prozent. Es stellte sich zudem heraus, dass das BHKW die Netze entlastete, ohne dabei seine Aufgabe als Wärmelieferant zu vernachlässigen: Es wurde deutlich weniger überschüssiger Strom in das umliegende Netz abgeben und bei Engpässen deutlich weniger Strom daraus importiert.

Die in PowerLand 4.2 entwickelte BHKW- und Biogasanlagensteuerung lässt sich problemlos auch an anderen Standorten einsetzen und bietet sich insbesondere für Anlagen an, die Wärmeabnehmer versorgen. Benötigt werden lediglich die Betriebsdaten, die man in der Regel ohnehin erfasst. „Der wesentliche Vorteil unseres Ansatzes gegenüber einer klassisch flexibilisierten Anlage besteht darin, mit Hilfe der bedarfsgerechten Fütterung teure Investitionen in größere Gasspeicher einzusparen. Im Vergleich zur nicht-flexibilisierten, im Dauerbetrieb laufenden Biogasanlage erzielen die Betreiber auch höhere Stromerlöse“, erläutert Projektleiter Privatdozent Dr. Andreas Lemmer von der Uni Hohenheim.

Das Vorhaben wurde im Rahmen des Förderaufrufs „Systemintegration von Bioenergie“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt. Ziel war es, die besonderen Stärken der Bioenergie noch mehr und „smarter“ für die Energiewende zu nutzen. Insgesamt wurden 19 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, teilweise mit Reallaboren, gefördert.

Der Abschlussbericht steht auf fnr.de unter den Förderkennzeichen 2240471722404618 und 22404718 zur Verfügung.

Links:

Projektdatenbank der FNR – https://www.fnr.de/projektfoerderung/projektdatenbank-der-fnr

Verbundvorhaben: PowerLand 4.2
Teilvorhaben 1 – https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22404717
Teilvorhaben 2 – https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22404618
Teilvorhaben 3 – https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22404718

Über die FNR – https://www.fnr.de/fnr-struktur-aufgaben-lage/fachagentur-nachwachsende-rohstoffe-fnr

Fachlicher Ansprechpartner: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
Detlef Riesel, Tel.: +49 3843 6930-212
E-Mail:   d.riesel(bei)fnr.de